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Foto: HRA
17. Mai 2021
Das vergangene Jahr hat gezeigt, wie wichtig Wissenschaftsjournalismus in seiner Vermittlungsrolle zwischen Forschung und Öffentlichkeit ist. In einem Online-Talk am 20. April sprach Julia Panzer von der Hamburg Research Academy mit Dagny Lüdemann, langjährige Ressortleiterin und seit Kurzem Chefreporterin Wissen bei ZEIT ONLINE, über die Arbeit in einer Wissenschaftsredaktion und die Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Journalismus.
Im Rahmen von einstündigen „WissKomm-Talks“ lädt die Hamburg Research Academy Personen ein, die in unterschiedlichen Bereichen der Wissenschaftskommunikation tätig sind. Die Perspektiven aus der Praxis geben den teilnehmenden Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern Impulse für die eigene Kommunikationsarbeit und ermöglichen ihnen zudem Einblicke in potentielle Berufsfelder. Nachdem im vergangenen November bereits die Professorin und erfolgreiche Kommunikatorin Antje Boetius zu Gast war, stand mit Dagny Lüdemann nun der Wissenschaftsjournalismus im Fokus. Für Forschende, die ihre Arbeit in die Öffentlichkeit tragen möchten, ist ein Verständnis für die Arbeitsweise von Journalistinnen und Journalisten unerlässlich. Diese Arbeitsweise hat sich seit Beginn der Pandemie fundamental geändert. Im Gespräch berichtete Dagny Lüdemann insbesondere von diesen Entwicklungen und deren Auswirkungen auf ihr persönliches Verständnis von erfolgreichem Wissenschaftsjournalismus.
Fast über Nacht verwandelte sich die Wissenschaftsredaktion von ZEIT ONLINE zu Beginn der Pandemie zu einer „Corona-Redaktion“: Das Schwerpunktthema Covid-19 verdrängte die anderen Fachgebiete fast vollständig. Neu war zudem der immense Bedarf nach Orientierung und Handlungsempfehlungen in der Bevölkerung, der einer teilweise noch unklaren Faktenlage gegenüberstand. Die Öffentlichkeit beobachtet die Corona-Forschung seither fast in Echtzeit. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung stand die wissenschaftsjournalistische Arbeit vor besonderen Herausforderungen, so Dagny Lüdemann. Wie gelingt es in aktuellen Beiträgen deutlich zu machen, welche Informationen über das Virus und seine Verbreitung bereits durch Forschung gut belegt sind und welche noch vorläufig, nicht von der Fachwelt geprüft oder schlicht weiterhin völlig unbekannt? Die wenigsten Menschen wissen schließlich, was sich hinter Begriffen wie Peer-Review-Prozess oder PrePrint verbirgt. Aus Dagny Lüdemanns Sicht ist es daher unerlässlich, Informationen und Quellen in Artikeln, Videos, Grafiken oder Podcasts für die Leserinnen und Leser verständlich einzuordnen. Ein Beispiel ist hierfür das Format „Was wir wissen, was wir nicht wissen“ auf ZEIT ONLINE, das einst für brisante Nachrichtensituationen wie etwa Terroranschläge entwickelt wurde – Lagen, in denen minütlich neue teils schwer verifizierbare Informationen kursieren und schnell geprüft und eingeordnet werden müssen. Diese Form der Transparenz sieht sie als Schlüssel, um das Vertrauen in die Wissenschaft und in die damit verbundene journalistische Berichterstattung zu stärken.
Ähnlich wie die unsichere Faktenlage, führte im vergangenen Jahr die Frage nach der Auswahl von Expertinnen und Experten sowohl zu viel Reflexion innerhalb der Redaktion als auch zu Diskussionen in der Öffentlichkeit. Hinterfragt wurde anlässlich der Corona-Berichterstattung, welche Personen in der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen und warum. Sollten die Medien immer die großen etablierten Namen anfragen oder doch lieber die leiseren, noch unbekannten Stimmen? Und wie wird ausgewählt, wer wirklich zu einem Thema Expertise hat und an welcher Stelle eher politische Meinung im Vordergrund steht? In der Wissenschaftsredaktion von ZEIT ONLINE kommen viele der Journalistinnen und Journalisten selbst aus der Wissenschaft und schätzen die Expertise von Forschenden mit Blick auf aktuelle Forschungsaktivitäten und Publikationen selbst ein. Zudem müssen Eigeninteressen von Expertinnen und Experten geprüft werden: Wie unabhängig sind sie finanziell, institutionell und politisch? Genauso wichtig wie die seriöse Auswahl der Personen, so ist sich Dagny Lüdemann sicher, sei allerdings, dem Publikum transparent zu machen, warum diese Person Fachkenntnis hat und worin genau. Zudem sollten Forschende selbst dazusagen, wann sie eine wissenschaftliche Einschätzung geben, wann eine persönliche Meinung kundtun. Und hier sollten Journalistinnen und Journalisten nachhaken: Welche Quelle kann der Befragte zu seiner Einschätzung nennen? Was sagen Kolleginnen des Fachgebietes dazu? Deckt sich die Aussage mit dem Stand der Forschung, den man selbst zuvor recherchiert hat? Und: Statements von Experten und Forscherinnen ersetzen keine eigene Recherche.
Für das Publikum war von besonderem Interesse, wie die Medien auf Themen aus der Wissenschaft aufmerksam werden. Die klassischen Pressemitteilungen aus den Kommunikationsabteilungen der Hochschulen spielen nämlich nur noch eine untergeordnete Rolle. Für Medienvertreterinnen und -vertreter sind das persönliche Netzwerk innerhalb der Wissenschaft sowie Expertinnen- und Expertendatenbanken wie die des idw – Informationsdienst Wissenschaft oder der Universität Hamburg viel wichtiger. Dagny Lüdemann beobachtet zudem mit großem Interesse, dass sich immer mehr junge Forschende mit ihrer Arbeit direkt in die Öffentlichkeit wagen. Sie verriet, dass für Beiträge über Forschungsthemen oftmals gar nicht die hierarchische Ebene interessant ist. Je nach Thema sei es viel spannender, mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu sprechen, die wirklich nah an der Forschung dran sind. Zum Beispiel die Promovierenden, die das Experiment selbst im Labor durchführen.
Am Ende des Gesprächs gab es Zeit, sich über mögliche Wege in den Wissenschaftsjournalismus als Beruf auszutauschen. Als studierte Biologin entschied sich Dagny Lüdemann schon im Studium für den Weg in den Journalismus. Nach zehn Jahren als Ressortleiterin der Ressorts Wissen und Digital freut sie sich nun als Chefreporterin Wissen wieder tiefer und mit mehr Zeit in große Recherchen eintauchen zu können und große Projekte für ZEIT ONLINE zu betreuen. Allen, die über einen Wechsel aus der Wissenschaft in den Journalismus nachdenken, riet sie, sich möglichst früh mit jüngeren Menschen auszutauschen, die in den letzten Jahren einen ähnlichen Schritt gemacht haben. Erfahrungen im Bereich Datenjournalismus und multimedialer Kommunikation können zudem nützlich sein, da diese Felder immer stärker nachgefragt werden. Wer konkrete Unterstützung sucht: Die Hamburg Research Academy bietet am 26. Mai einen Workshop zum Thema „Wissenschaftskommunikation als Beruf“ an.
Wir bedanken uns bei Dagny Lüdemann für die spannenden Einblicke in ihre Arbeit und bei allen Teilnehmenden für die Diskussion!
Wie gelingt die Kommunikation über die eigene Forschung? Das WissKomm-Projekt der Hamburg Research Academy will Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Hamburg für die Vermittlung ihrer Forschungsarbeit begeistern, sie in der praktischen Anwendung schulen und eine Plattform für die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Gesellschaft schaffen.
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