Interview mit Prof. Dr. Segler-Meßner
Was hat Ihnen auf dem Weg in die Wissenschaft geholfen?
Wissenschaftliche Neugierde für unerforschte Gebiete wie z.B. die italienische Frauenliteratur und literarische Zeugenschaft nach der Shoah und Professoren, die mich in meiner Entwicklung ideell und mit Stellen gefördert haben. Auch die Förderung meiner Dissertation durch die Studienstiftung war ein zentraler Baustein.
War auf diesem Weg die eigene soziale Herkunft ein Thema?
In meinem akademischen Werdegang war weniger meine soziale Herkunft als meine Stellung als Frau mit Kindern im wissenschaftlichen Betrieb ein Thema. Da ich bereits zu Beginn meines Studiums zwei Kinder bekam, waren meine Studienbedingungen anders als die meiner Kommiliton/innen.
Bereits während meiner Schulzeit zeigte sich, dass es für meine Eltern unvorstellbar war, dass ich als Arbeiterkind studieren würde. Sie wünschten sich für ihre Tochter eine solide Ausbildung als Fremdsprachenkorrespondentin. Dank der Existenz von Stadtbüchereien hatte ich schon als Kind freien Zugang zu Büchern. Dank des Bafögs war ich unabhängig von meinen Eltern.
Wann haben Sie das erste Mal gemerkt, dass es da einen Unterschied gibt? Und gibt es ein persönliches Ereignis, dass Ihnen dabei besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Den sozialen Unterschied habe ich in meiner Zeit am Gymnasium vor allem in der Unterstufe sehr deutlich gespürt. Die Mehrzahl meiner Klassenkamerad/innen kannte sich bereits von der Grundschule und wohnte in einem gutbürgerlichen Viertel von Leverkusen. Mein Vater war ein Chemiearbeiter bei Bayer im Schichtbetrieb. Ich war weder Mitglied im Tennisclub, noch konnte ich Skifahren.
Ist die soziale Herkunft im Hochschulkontext immer noch relevant? Und wenn ja, warum?
Die Frage der sozialen Herkunft spielt eine große Rolle für das Selbstverständnis und das Selbstvertrauen. Deshalb benötigen Studienanfänger/innen in besonderer Weise Unterstützung und vor allem Ermunterung.
Was könnten Hochschulen in dem Bereich dann anders machen?
Es existiert bereits eine Willkommenskultur für Studienanfänger/innen, die sicher noch ausgebaut werden kann. Darüber hinaus wäre Mentoring und/oder offene Sprechstunden ein Instrument, um Studierende zu ermuntern, ihren Weg zu finden und zu gehen.
Was ist Ihr persönlicher Tipp, wenn ich es mit dem Weg in die Wissenschaft probieren will?
Begeisterung für den Forschungsgegenstand, Engagement für ein Thema und Aufgeschlossenheit für eine kritische Diskussion der eigenen und anderer Ideen sind die Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Karriere. Darüber hinaus sind Vernetzung mit anderen und Austausch zentrale Faktoren, um weiter zu kommen.
Zur Person
- Seit 2010 Professorin für französische und italienische Literaturwissenschaft am Institut für Romanistik der Universität Hamburg
- 2014-2017 Mitglied des Graduiertenkollegs „Vergegenwärtigungen. Repräsentationen der Shoah in komparatistischer Perspektive“ an der Universität Hamburg
- Seit 2014 Prodekanin für Studium und Lehre der Fakultät für Geisteswissenschaften
- 2014 Auszeichnung des Studierendenprojekts „Überlebensgeschichte(n): Trauma und Erinnerung als Gegenstand angewandter Romanistik“ durch die Claussen-Simon-Stiftung
- 2015 Lehrpreis der Fakultät für Geisteswissenschaften