Interview mit Prof. Dr. Beatrix Borchard
Was hat Ihnen auf dem Weg in die Wissenschaft geholfen?
Nach einer langen Zeit, in der ich nicht wusste, was ich wollte und in erster Linie darüber nachgedacht habe, was ich alles nicht konnte, war das Wichtigste, dass ich meine inhaltlichen Themen gefunden hatte: Frauen in der Musikgeschichte. Das war damals kein Thema in meinem Fach. Folglich hatte ich große Schwierigkeiten mit meiner Promotion. Aber es hat mich getragen zu wissen, dass das, was ich tue, wichtig für andere Frauen ist. So waren es vor allem Frauen, die mich unterstützt haben und Resonanz gegeben haben.
War auf diesem Weg die eigene soziale Herkunft ein Thema?
In der Schule erst nach einem Umzug und dem Wechsel von einem altsprachlichen Jungengymnasium in einer Kleinstadt mit wenig Akademikerfamilien auf ein Mädchengymnasium in der Beamtenstadt Bonn. Nur eine Mitschülerin und ich kamen nicht aus Akademikerfamilien. Soweit ich weiß, waren auch alle Mütter, obwohl sie teilweise selbst studiert hatten, zuhause. Meine Mutter war immer berufstätig. Das war für mich die Normalität, dass die Eltern gar keine Zeit hatten, sich permanent um uns zu kümmern. Helfen bei den Hausaufgaben konnten sie auch nicht. Das habe ich auf dem Gymnasium manchmal durchaus als Nachteil empfunden und war auch dementsprechend schlecht in Fächern wie Latein, in denen es auf systematisches Lernen und Wiederholen ankommt.
Wann haben Sie das erste Mal gemerkt, dass es da einen Unterschied gibt?
Siehe oben. Da war ich 14 Jahre alt.
Und gibt es ein persönliches Ereignis, dass Ihnen dabei besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Nein!
Was könnten Hochschulen in dem Bereich dann anders machen?
Ausreichende finanzielle Unterstützung , ohne dass sie später wieder zurückbezahlt werden muss, ist das A und O. Ansonsten werden die Zugänge bekanntlich bereits im Kindergarten eröffnet bzw. gesperrt. Wenn man weiß, dass ein Kind von zuhause aus keine Lernunterstützung bekommen kann, müssten kostenlose, nicht diskriminierende Begleitangebote gemacht werden. Das gilt auch für die Schule und das Studium.
Was ist Ihr persönlicher Tipp, wenn ich es mit dem Weg in die Wissenschaft probieren will?
Meines Erachtens ist das Wichtigste, etwas zu machen, was einen inhaltlich über alle Klippen und Täler hinwegträgt, denn derer gibt es viele. Man braucht unbedingt einen langen, langen Atem.
Zur Person
Beatrix Borchard, Prof. Dr. phil. habil., Musikwissenschaftlerin und Musikpublizistin studierte in Bonn und Berlin Musikwissenschaften, Germanistik und Geschichte. Sie promovierte über Clara Wieck und Robert Schumann, Bedingungen künstlerischer Arbeit in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, 2. Auflage Kassel 1992 und habilitierte sich mit der interpretationsgeschichtlichen Studie Stimme und Geige. Amalie und Joseph Joachim, 2. Auflage Wien 2007. Aktuelle Veröffentlichung: Clara Schumann. Musik als Lebensform, Neue Quellen – andere Schreibweisen, Hildesheim 2019.
Beatrix Borchard war bis zum Sommer 2016 Professorin für Musikwissenschaften an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Sie hat im Rahmen des Komponistenquartiers Hamburg „Räume für Fanny und Felix Mendelssohn“ sowie die neue Dauerausstellung zu Clara und Robert Schumann im Schumann Haus Leipzig kuratiert.