WissKomm-Talk mit Antje Boetius„Leidenschaft für das eigene Thema ist die beste Voraussetzung für gute Wissenschaftskommunikation“
16. November 2020

Foto: Esther Horvath
Nie zuvor wurde so viel über das Thema Wissenschaftskommunikation gesprochen wie im Jahr 2020. Ein guter Anlass für unseren Online-Talk am 12. November: Mit der Professorin und erfolgreichen Kommunikatorin Antje Boetius haben wir über das neue öffentliche Interesse an der Wissenschaft, gute Wissenschaftskommunikation und deren Chancen für die eigene Karriere gesprochen.
Prof. Dr. Antje Boetius ist Professorin für Geomikrobiologie an der Universität Bremen und
Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Sie spricht seit Jahren mit viel Begeisterung in der Öffentlichkeit über ihre Forschung. Nebenbei geht das allerdings nicht. Seit Beginn ihrer Karriere räumt sie der Kommunikation einen festen Platz in ihrem Arbeitsalltag ein. Der Aufwand lohnt sich doppelt: Viele Menschen wollen mehr über Wissenschaft und Forschung wissen und lassen sich von ihrer Begeisterung anstecken. Viele haben kluge Fragen an wissenschaftliches Wissen – wie lässt es sich in gesellschaftliche Trends einordnen, wie hilft es zu entscheiden. Neben dieser gesellschaftlichen Bedeutung sieht sie Vorteile für die eigene Forschung und Karriere. Förderanträge, wissenschaftliche Vorträge und Artikel profitieren von der Fähigkeit, in wenigen Worten Kernbotschaften auf den Punkt zu bringen. Zudem werden Kommunikationsfähigkeiten für Forschungsprojekte immer wichtiger, sodass die im Lebenslauf aufgeführten Medien-Kompetenzen einen tatsächlichen Vorteil in Bewerbungsprozessen bieten.
Ausprobieren, scheitern, weitermachen
Ein wichtiger Schlüssel für erfolgreiche Wissenschaftskommunikation ist die Leidenschaft für das eigene Thema. Antje Boetius ermutigt besonders junge Forschende dazu, damit verschiedene Kanäle auszuprobieren, bevor sie einen Schwerpunkt setzen. Soziale Medien bieten etwa den großen Vorteil, ungefiltert über Forschungsthemen schreiben zu können und mit der Community in einen direkten Austausch zu treten. Sie selbst konzentriert ihre Kapazitäten hingegen auf analoge Veranstaltungen wie Vorträge, Panels, Workshops und die „klassischen“ Medien wie Fernsehen, Zeitungen und Radio. Sie findet Experimentierfreudigkeit und ein gewisses Maß an Scheitern, Aufstehen, Weitermachen gehört auf jedem Kanal dazu: Ebenso wie man in den sozialen Medien in einen Shitstorm geraten kann, birgt die Zusammenarbeit mit Journalistinnen und Journalisten oder auch Streitgespräche bei Talkshows Potenzial für Missverständnisse. Es hilft in jedem Fall, die Anforderungen und Funktionsweisen des jeweiligen Mediums zu kennen und aus eigenen Fehlern zu lernen. So liefert Antje Boetius zum Beispiel ganz bewusst lieber selbst schriftlich verständliche Formulierungen an die Presse, um spätere Interpretationen und Kürzungen durch fremde Hand zu vermeiden.
Tipps für den Einstieg:
- Stellen Sie die eigene Forschung in der Familie oder im fachfremden Freundeskreis vor. Das hilft dabei, Ihre Botschaften zu schärfen.
- Verstecken Sie nicht Ihre Medienkompetenzen! Im CV darf auch die Youtube-Erfahrung genannt werden.
- Authentische Kommunikation ist der Schlüssel: Nicht jedes Medium ist für jede Person das richtige. Probieren Sie aus und finden heraus, was am besten zu Ihnen passt, Spaß macht und sich in Ihren Arbeitsalltag integrieren lässt.
- Finden Sie heraus, bei welchen Formaten Ihrer Institution Sie sich einbringen können. Vom Tag der offenen Tür über Wissenschaftsblogs und öffentliche Diskussionsrunden – die Vielfalt ist in Hamburg groß.
Harte Schale und Humor bei Gegenwind
Im Fokus der Nachfragen aus dem 50-köpfigen Publikum stand die Interaktion mit wissenschaftsablehnenden Zielgruppen. Muss man auf Anfeindungen eingehen und wie nimmt man Fake News den Wind aus den Segeln? Manchmal braucht man als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler in der Öffentlichkeit eine harte Schale, gesteht Antje Boetius. Sie rät, eine eigene Haltung für die Einordnung der Forschung in gesellschaftliche Trends und Themen zu entwickeln, aber auch auf die eigenen Grenzen zu hören und die Bemühungen vor allem auf Personen zu konzentrieren, die Interesse an Austausch haben. Falls es dann doch einmal hagelt, hilft es, sich mit anderen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren auszutauschen, gemeinsam zu diskutieren und dabei den Humor nicht zu verlieren.
Auf die Frage, was sie sich für die Zukunft wünscht, antwortet Antje Boetius ohne zu zögern: Wissenschaftskommunikation sollte bereits früher in der wissenschaftlichen Ausbildung eine Rolle als Schlüsselqualifikation spielen und stärker als positiver Karrierefaktor anerkannt werden. Wir sind gespannt, ob das Krisenjahr 2020 mit seinen Auswirkungen auf die Wissenschaftskommunikation die Erfüllung dieser Wünsche beschleunigt!
Gut zu wissen:
- Was Wissenschaftskommunikation mit Anglerfischinnen und Angela Merkel zu tun hat, erfahren Sie in der Rede von Antje Boetius zur Verleihung des Communicator Preises 2018.
- Eins von Antje Boetius‘ Lieblings-Kommunikations-Produkten 2020: Der Podcast der Tschira Stiftung mit Norbert Lammert .
- Das Projekt zur Wissenschaftskommunikation an der Hamburg Research Academy wird von der Claussen-Simon-Stiftung gefördert. Weitere Angebote finden Sie auf der Projektseite.
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