Postdocs Abroad
30. September 2025

Foto: HRA
Unsere Interview-Reihe teilt vielfältige Auslandserfahrungen von Postdocs. In jedem Beitrag wird ein:e Postdoc vorgestellt, die über ihre internationalen Erfahrungen spricht. Die Interviews bieten nicht nur persönliche Einblicke, sondern auch praxisnahe Tipps und Informationen für andere Forschende, die einen Auslandsaufenthalt in Betracht ziehen. Die Interviews sind ursprünglich im Verlauf des Sommersemesters 2025 in unserem Newsletter erschienen.
Anja Frank
Den Anfang macht Dr. Anja Frank vom Institut für Geologie der Universität Hamburg, die fünf Jahre in Kopenhagen, Dänemark gearbeitet hat – erst als Doktorandin, anschließend als Postdoc.
Was lief in Kopenhagen anders, als Sie es gewohnt waren?
Meiner Meinung nach sind sich das dänische und das deutsche akademische System sehr ähnlich. Allerdings ist Dänemark um einiges weiter mit der Digitalisierung, was die bürokratischen Prozesse stark vereinfacht. Zudem ist die Arbeitswelt in Dänemark sehr flach hierarchisch und die gefühlte Distanz zwischen den Studierenden und Professoren geringer.
Welche persönlichen und beruflichen Impulse haben Sie aus Ihrer Zeit im Ausland mitgenommen?
Ich habe während meines Aufenthalts in Dänemark viel über das Land und seine Kultur gelernt. Dieser kulturelle Austausch ist unbezahlbar und ich plane, weiter daran teilzuhaben. Darüber hinaus habe ich aber auch erfahren, wie schwierig es manchmal sein kann, sich in einem fremden Land zurechtzufinden. Deshalb setze ich mich nun aktiv in meinem Umfeld für Diversität ein und versuche, internationale Forschende zu unterstützen.
Was verbindet das Objekt auf dem Foto mit Ihrem Auslandsaufenthalt?
Mein Büro am Nationalmuseum befand sich in einem alten Fabrikgebäude; direkt daneben steht die alte Villa des ehemaligen Besitzers mit einem wunderschönen Garten. Das Bild zeigt einen Teil dieses Gartens, in dem heute verschiedene Apfelsorten angebaut werden, um deren Vielfalt zu erhalten. Aspekte wie diese haben meinen Postdoc so besonders gemacht. Ich durfte in historischen Gebäuden zwischen interessanten Artefakten arbeiten und habe immer wieder etwas Neues entdeckt und gelernt.
Welche Tipps würden Sie anderen Postdocs geben, die einen Auslandsaufenthalt planen?
Networking, Networking, Networking. Ich bekomme es selbst immer wieder gesagt und kann es gar nicht mehr hören, aber es stimmt – Türen öffnen sich am einfachsten, wenn jemand sie für einen aufschließt. Das perfekte Beispiel: ich habe meinen Postdoc am Nationalmuseum von Dänemark durch meinen Doktorvater vermittelt bekommen.
Zrinka Kolakovic
Heute berichtet Dr. Zrinka Kolaković, Postdoc am Institut für Slavistik der Universität Hamburg, von ihrer Zeit als DAAD-PRIME-Postdoktorandin am Institut für Nordistik und Linguistik der Universität Kopenhagen, Dänemark.
Was lief dort anders, als Sie es gewohnt waren?
Die Hierarchie ist ausgesprochen flach, und die Lehrstühle haben oft keine eigenen Nachwuchskräfte – Doktoranden- und Postdoc-Stellen entstehen hauptsächlich durch Stipendien und Drittmittel. Das führt zu hohem Wettbewerb, geringen Bewilligungsquoten und weniger Zeit für Forschung. Dafür gibt es an den Instituten und Fakultäten jedoch einen gut etablierten Drittmittelapparat, der mit Beratungsstellen und Workshops bei der Einwerbung von Projektanträgen unterstützt.
Welche persönlichen und beruflichen Impulse haben Sie aus Ihrer Zeit im Ausland mitgenommen?
Verschiedene Workshops waren für mich von immensem Wert, etwa zum „Programmieren ohne Programmieren“ oder dem Verfassen von Anträgen, die sowohl für ein breiteres Publikum als auch für Experten gedacht sind. Wöchentliche Sitzungen im Schreiblabor und monatliche Treffen mit meiner Betreuerin sorgten dafür, dass mein Projekt auf Kurs blieb. Zudem konnte ich das Sprachlabor mit seinem schalldichten phonetischen Studio, einem Beobachtungszimmer und Geräten wie Eye-Tracker und EEG näher kennenlernen. Persönlich haben meine Familie und ich viel von den Dänen gelernt, die die Rechte der Kinder und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besonders fördern. Bei der Arbeit zählt vor allem das Ergebnis, nicht die im Büro verbrachte Zeit.
Was verbindet den Ort auf dem Foto mit Ihrem Auslandsaufenthalt?
Es zeigt einen Teil des Südcampus der Universität Kopenhagen: Links ist das Gebäude 12, in dem sich das HUM DataLab befindet und in dem ich mein Polnisch an der Abteilung für interkulturelle und regionale Studien polierte. Gegenüber, auf der anderen Seite der kleinen Brücke, befindet sich das Gebäude 22 mit der Abteilung für Nordische Studien und Linguistik, und links daneben die Universitätsbibliothek. Oben – das typisch dänische Wetter: vollkommen grau und bewölkt, aber irgendwie charmant.
Welche Tipps würden Sie anderen Postdocs geben, die einen Auslandsaufenthalt planen?
Die wichtigsten Fragen, die Sie sich stellen sollten, sind: „Was kann meine Karriere voranbringen?“ und „Wo kann ich diese neuen Fähigkeiten erwerben?“ Denken Sie über den Tellerrand hinaus und suchen Sie nach Möglichkeiten, die zu Ihren besonderen Umständen und Förderkriterien passen. Gute Ausgangspunkte sind das Walter-Benjamin-Programm der DFG, das Feodor-Lynen-Stipendium der Humboldt-Stiftung, das DAAD-PRIME-Stipendium und die MSCA-Postdoktorandenstipendien. Letztlich ist eine gründliche Kosten-Nutzen-Analyse der Antragsvoraussetzungen und Erfolgsquoten für eine fundierte Entscheidungsfindung unerlässlich.
Weitere Infos zum Förderprogramm DAAD PRIME auf der Webseite des DAAD.
Adekunle Adedeji
Heute berichtet Dr. Adekunle Adedeji, Postdoc im Department Soziale Arbeit der HAW Hamburg und am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Er hat für zwei Jahre als Feodor-Lynen-Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung ein Forschungsprojekt an der Faculty of Humanities der North-West University in Mafikeng, Südafrika umgesetzt.
Was lief dort anders, als Sie es gewohnt waren?
Die Offenheit der Menschen und der soziale Zusammenhalt während der Pandemie haben mich beeindruckt. An der Uni erleichterten flache Strukturen den Austausch. Gleichzeitig war mein Projekt herausfordernd umzusetzen – vor allem wegen der dezentralen, komplexen Verfahren zur Ethikgenehmigung, die sogar noch bürokratischer liefen als in Deutschland. Insgesamt bot der Aufenthalt viele neue Perspektiven auf Zusammenarbeit und Forschung.
Welche persönlichen und beruflichen Impulse haben Sie aus Ihrer Zeit im Ausland mitgenommen?
Der Aufenthalt hat meine Forschung zu Wohlbefinden und sozialer Teilhabe nachhaltig geprägt. Besonders die interkulturellen Erfahrungen und die Zusammenarbeit mit lokalen Partner*innen haben mein Verständnis für kontextsensibles Arbeiten gestärkt. Persönlich hat mich die Resilienz der Menschen beeindruckt. Die Impulse aus Südafrika fließen bis heute in neue Projekte und internationale Kooperationen ein.
Was verbindet den Ort auf dem Foto mit Ihrem Auslandsaufenthalt?
Das Foto zeigt den Weg zum Pilanesberg-Nationalpark. Für die Datenerhebung war ich viel in Südafrika unterwegs und habe auf meinen Reisen viele beeindruckende Menschen getroffen – aber ich habe mir auch bewusst Zeit genommen, die einzigartige Natur des Landes zu genießen. Die Gespräche und die spontanen Erlebnisse haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen, beruflich wie persönlich, und sind für mich eng mit diesem Ort verbunden.
Welche Tipps würden Sie anderen Postdocs geben, die einen Auslandsaufenthalt planen?
Frühzeitig planen, offen bleiben und lokale Netzwerke aktiv nutzen – das macht den Unterschied. Der Austausch mit Kolleg*innen vor Ort war für mich besonders wertvoll. Die Alexander von Humboldt-Stiftung bot nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch ein starkes Netzwerk, das weit über den Aufenthalt hinaus wirkt und nachhaltige Kooperationen ermöglicht.
Weitere Informationen über das Feodor Lynen-Forschungsstipendium
Nicole Gilberger
Heute berichtet Dr. Nicole Gilberger, Postdoc in der Infektionsepidemiologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, von ihrer ersten Postdoc-Stelle nach der Elternzeit an der McMaster Universität in Hamilton (Ontario), Kanada.
Was lief dort anders, als Sie es gewohnt waren?
Ich bin mit meiner Familie umgezogen und trat meine neue Stelle nach insgesamt drei Jahren Elternzeit an. Ich habe den Umzug und beruflichen Wechsel deutlich unterschätzt. Ohne Freunde, ein soziales Netzwerk oder Arbeitskollegen gestaltete sich das Einleben sehr viel schwieriger als erwartet. Im Vergleich dazu war mein früherer Auslandsaufenthalt vor der Promotion, als ich zwei Jahre in Melbourne, Australien, gelebt habe, wesentlich unkomplizierter – damals hatte ich allerdings noch keine Kinder.
Welche persönlichen und beruflichen Impulse haben Sie aus Ihrer Zeit in Kanada mitgenommen?
Diese Zeit lieferte wertvolle Erkenntnisse, allerdings auf unerwartete Art und Weise. Beruflich musste ich mich in Geduld üben: Das Projekt benötigte letztendlich acht Jahre und die Mitarbeit mehrerer Post-Docs bis zur Publikation. Das wirkte sich negativ auf meinen Lebenslauf aus. Das Fehlen eines unterstützenden Netzwerks hat mir verdeutlicht, wie illusorisch die Vorstellung ist, Beruf und Familie alleine vereinbaren zu können.
Was verbindet das Objekt auf dem Foto mit Ihrem Auslandsaufenthalt?
Das kanadische Wetter hinterließ einen bleibenden Eindruck. Obwohl es in Norddeutschland auch schöne Jahreszeiten gibt, habe ich noch nie so beeindruckende Herbst- und Wintertage erlebt. Das Phänomen auf dem Foto gehört zu den schönsten Naturerscheinungen, die ich je gesehen habe
Welche Tipps würden Sie anderen Postdocs geben, die einen Auslandsaufenthalt planen?
Ich würde empfehlen, bei den Job-Verhandlungen zu versuchen, etwas für seinen Partner mit auszuhandeln. Ich hatte den Eindruck, dass der Umzug mit der Familie generell unterstützt wurde. Die Karriere-Planung mit Kindern ist sehr individuell - mich haben diese erste Zeit als Mutter und der Wiedereinstieg nach der Elternzeit eher negativ geprägt. Ich würde den weiblichen Post-Docs sagen: Plant eure Elternzeit, denkt strategisch. Die Welt bleibt nicht stehen und der Druck zu performen ist hoch. Unterschätzt nicht, was von euch (als Frau) erwartet wird. Es ist einfacher mit einem „ally“ als Partner. Und: Das schlechte Gewissen war in den ersten Jahren (m)ein ständiger Begleiter.
Jana Graul
Heute berichtet Dr. Jana Graul, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Professurvertretung am kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg, von ihrer Zeit als Postdoc in Italien – dort hat sie an den Max-Planck-Instituten in Florenz und Rom geforscht und hatte Fellowships in Florenz und Venedig inne.
Was lief in Italien anders, als Sie es gewohnt waren?
Ungewohnt war für mich der große Stellenwert, dem man dort dem Zubereiten von Speisen und gemeinsamen Essen beimisst. Das schätze ich mittlerweile sehr und habe kochen gelernt… Zudem nehmen die Menschen sich selbst nicht allzu ernst, was den Alltag ungemein erleichtert, da man freundlich miteinander umgeht und Problemen mit einem Augenzwinkern begegnet. Bei Behördengängen fühlte ich mich hin und wieder an den famosen Passierschein A38 aus „Asterix in Rom“ erinnert; die Digitalisierung hat da aber manches vereinfacht.
Welche persönlichen und beruflichen Impulse haben Sie aus Ihrer Zeit in Italien mitgenommen?
Es sind wunderbare Freundschaften entstanden, die mich weiterhin begleiten, und zugleich ein internationales Netzwerk, dessen Wert mir erst im Nachhinein gänzlich bewusst geworden ist. Die Aufenthalte haben mich zudem methodisch und inhaltlich geprägt: Die italienische Kunst wurde an den MPIs seinerzeit verstärkt mediterran, europäisch und global perspektiviert. Mit diesen transkulturellen Zusammenhängen beschäftige ich mich auch in meinem Habilitationsprojekt.
Was verbindet das Objekt auf dem Foto mit Ihrem Auslandsaufenthalt?
Ich habe François Bouchers Raub der Europa von 1732/34 ausgewählt, weil das Gemälde ein ironisches Echo auf die damals kanonische Italienreise darstellt: Von der Zahmheit des Stiers eingenommen, in den Zeus sich zu ihrer Eroberung verwandelt hat, hat die in italienische Farben gewandete Europa bereits auf seinem Rücken Platz genommen. Der französische Maler schuf es unentgeltlich nach seiner Rückkehr und ironisierte damit das Credo, dass sich nach der Italienreise für künstlerische Talente ein ‚europäischer‘ Erfolg quasi von selbst einstellt.
Welche Tipps würden Sie anderen Postdocs geben, die einen Auslandsaufenthalt planen?
Für meinen Bereich, also die Kunstgeschichte, kann ich die MPIs als Forschungseinrichtungen wärmstens empfehlen: sie bieten neben hervorragenden Biblio- und Fototheken ein internationales Forschungsumfeld, das vielfältige inhaltliche Impulse und methodische Anregungen bereithält. Pre- und Postdoc-Stipendien werden in regelmäßigen Abständen ausgeschrieben.
Weitere Informationen über die Angebote der Max-Planck-Gesellschaft für Postdocs
Eva Bleckmann
Heute berichtet Dr. Eva Bleckmann, Postdoc am Institut für Psychologie der Universität Hamburg, von ihrem Aufenthalt an der Northwestern University in Evanston, Illinois. Nach einem Besuch bei einer Kooperationspartnerin hat sie dort einen interdisziplinären Expert:innen-Workshop und ein Symposium im Rahmen einer Konferenz organisiert.
Was lief dort anders, als Sie es gewohnt waren?
Durch die Kürze meines Aufenthalts musste ich sehr genau planen: Ich wollte die Zeit optimal nutzen, um in meinen Projekten voranzukommen, und gleichzeitig vor Ort neue Kontakte knüpfen. Beides hat in den zwei Wochen gut funktioniert. Trotz der spürbaren Unsicherheiten im US-Wissenschaftssystem habe ich eine beeindruckende Offenheit und Gastfreundschaft erlebt, durch die ich viele interessante Menschen kennenlernen und über meine Forschung sprechen konnte.
Welche persönlichen und beruflichen Impulse haben Sie aus Ihrer Zeit in den USA mitgenommen?
Mein Aufenthalt war zwar kurz, aber immens bereichernd. Besonders der Expert:innen-Workshop war eine sehr tolle Erfahrung: Ich habe viele neue Perspektiven und Anknüpfungspunkte zwischen meiner Forschung und der anderer Wissenschaftler:innen erkannt. Zudem sondern der Workshop als Grundlage für ein Netzwerk und langfristige Kooperationen dienen. Ich freue mich sehr darauf, aktiv an diesen Prozessen mitzuwirken.
Was verbindet den Ort auf dem Foto mit Ihrem Auslandsaufenthalt?
Das Bild zeigt einen Teil des Campus der Northwestern University, der direkt am Lake Michigan liegt. Im Sommer ist es dort unglaublich schön – Spaziergänge am See und über den Campus waren jeden Tag fester Bestandteil meines Aufenthalts.
Welche Tipps würden Sie anderen Postdocs geben, die einen Auslandsaufenthalt planen?
Für mich persönlich bleibt die Erkenntnis, dass auch kurze Aufenthalte ein willkommener Tapetenwechsel sein können und – bei guter Vorbereitung – für neue Impulse, wichtige Vernetzungen und Motivationsschübe sorgen. Es gibt viele Fördermöglichkeiten für solche Kurzaufenthalte: Mein Aufenthalt wurde zum Beispiel durch einen Seed Funding Grant und Internationalization Grant der UHH möglich.
Möglichkeiten der Förderung über die UHH innerhalb von strategischen Partnerschaften
Bilder

Foto: privat/Ryan Bond
Alte Apfelbäume neben dem Büro

Foto: privat
Der Südcampus der Universität Kopenhagen bei typisch dänischem Wetter

Foto: privat/HRA
Wegweiser zum Pilanesberg-Nationalpark

Foto: privat
Mit Eis überzogene Bäume

Foto: privat/Detail aus François Boucher, Der Raub der Europa
Detail aus François Boucher, Der Raub der Europa, circa 1732-34, Öl auf Leinwand, 230,8 x 273,5 cm, London, Wallace Collection CC-BY-NC-ND 40

Foto: privat
Campus der Northwestern University direkt am Lake Michigan